Wie komme ich eigentlich dazu, Euch so viel über das Thema Selbstliebe erzählen zu wollen?
Ist es einfach nur praktisch für mich als Fotografin, die viele Frauen fotografiert, auf den Zug aufzuspringen – wo es doch gemeinhin bekannt ist, dass viele Frauen unter einem body image-Problem leiden?
Die Wahrheit ist … nein, über Selbstliebe zu sprechen ist für mich alles andere als einfach. Aber gerade deshalb finde ich es so wichtig.
Jeder, der mich schon einmal irgendwo getroffen oder gesehen hat, weiß, dass auch mein Körper keinem „Ideal“ entspricht. Besonders jetzt gerade, nach einem seelisch aufreibenden halben Jahr und viel zu vielen Portionen Pommes und Trost-Gummibärchen lässt mich meine schiefe Wirbelsäule ein wenig wie eine Ente aussehen. Mein Rücken war immer schon schief, ich weiß das, und was viele Stunden Krankengymnastik in der Kindheit nicht reparieren konnten, kann ich auch mit dem positivsten Mindset nicht hinfortzaubern. Aber was ich kann ist, meinen Körper so zu akzeptieren, wie er ist. Wann immer ich denke, dass meine Beine momentan ziemlich stämmig aussehen, erinnere ich mich daran, dass genau diese Beine schon einmal einen Marathon gelaufen sind. Dass ein Bauch, der nicht ganz flach ist (und der aufgund eines Hohlkreuzes nie wirklich flach sein könnte), dennoch ein hervorragendes Bauch-Gefühl zu bieten hat. Und dass ich froh bin, gesund genug zu sein, um meine Ziele und Träume zu verfolgen. Für mich ist genau das Selbstliebe.
Als Kind, als Teenager wusste ich diese Dinge noch nicht. Mich hat es tief verletzt, von Klassenkameraden gemobbt zu werden. Meine Mitschüler führten eine Liste, in die sich alle eintrugen, die mich nicht leiden konnten. Es standen auch Kinder auf der Liste, die ich für meine Freunde gehalten hatte. Sie sammelten „dumme Dinge, die Vicky sagt“ und gaben mir einen „Spitznamen“, um selbst in meiner Gegenwart noch über mich lästern zu können. Irgendwann erfuhr ich davon, aber die Scham war für sehr lange Zeit zu groß, um mit irgendjemandem darüber zu sprechen. Was, wenn sie alle Recht hatten?
Als ich begann, mich ernsthaft mit der Fotografie auseinander zu setzen, entstand dann eine Serie von Selbstportraits. Ich fotografierte mich selbst, um herauszufinden, ob da nicht doch irgendwo etwas Schönes ist – aus diesem oder jenem Winkel, bei viel oder wenig Licht. Und genau in dieser Zeit fand ich heraus, wie unglaublich mächtig Bilder sind. Das war in einer Zeit, in der Photoshop – verglichen mit heute – noch in den Kinderschuhen steckte, und bevor es Smartphones mit hochauflösenden Kameras und Filter-Apps gab. Nein, ich entdeckte nicht urplötzlich meine Model-Qualitäten. Auch fand ich mich nicht ab diesem Zeitpunkt auf unerklärliche Weise wunderschön. Aber ich erkannte, dass jeder Mensch eine innewohnende Schönheit hat, und dass es möglich ist, diese auf einem Foto sichtbar zu machen. Bestimmt hätte ich das auch in irgendeinem Buch aus dem Lebenshilfe-Regal lesen können, oder – vielleicht etwas krude formuliert – in einer Abhandlung über gute Ausleuchtung in der Portraitfotografie. Aber die stärksten und nachhaltigsten Erfahrungen sind immer die, die wir am eigenen Leib erleben.
Ich glaube, dass es meine Berufung ist, über dieses Thema zu sprechen. Auch wenn es unangenehm ist, über schmerzhafte Episoden der eigenen Vergangenheit zu sprechen, und auch wenn der Gedanke „was ist, wenn sie damals doch Recht hatten“ sich immer wieder mal in mein Bewusstsein schleicht. Wenn man einmal so etwas erleben musste, ist es keine kleine Sache mehr, was andere über einen denken. Mit Social Media, Website usw. führe ich ein „öffentliches“ Leben und mich begleitet der Gedanke, ob vielleicht die Kinder von damals heute als Erwachsene vor ihren Smartphones sitzen und über mich lachen. Na klar, niemand wird von jedem gemocht und das ist auch gar nicht der Punkt. Mein Empfinden für die Wichtigkeit meiner Message – SELBSTLIEBE – ist stärker als meine Angst vor Ablehnung.
Diese ganze Geschichte hat mich sehr sensibel dafür gemacht, wie wir miteinander, und vor allen Dingen auch mit uns selbst umgehen. Mir tut es regelrecht weh, wenn eine Kundin über sich selbst und „ihren fetten Schwabbelbauch“ spricht. Es ist keine hohle Phrase, dass ich Schönheit in jedem Menschen sehen kann – denn immerhin trainiere ich das schon sehr, sehr lange.
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